Familienrecht

Mediator

Konstruktive Konfliktbeilegung durch Mediation - das klingt vielversprechend.

Ganz anders als die negativ besetzten Begriffe Scheidungsanwalt, Gerichtsverfahren und Trennungsstreit. Kein Wunder, dass Mediatoren von dieser landläufig vertretenen Meinung profitieren. Ein fairer Streitausgleich durch einen Mediator ohne offene Konfliktaustragung passt gut in die herrschende Wellness- und Light-Welle. Aber oft übersehen Mediatoren die Lebenserfahrung: Denn manchmal ist eine offen ausgetragene Streitigkeit heilsamer als das Nachgeben um des Nachgebens Willen. Der Drang nach Harmonie - weit verbreitet und deshalb gezielt von Mediatoren nicht immer vollkommen altruistisch instrumentalisiert - kann auch dazu führen, auf berechtigte Ansprüche zu verzichten.

Ein zu früher Einigungsversuch macht Scheidungsverfahren oft langwierig und schwierig.

Am Anfang einer Trennung steht die Einsicht, dass die Beziehung gescheitert ist - und der erste Schritt heraus aus der emotionalen Abwärtsspirale ist getan. Die Unfähigkeit, Konflikte konstruktiv auszutragen, ist der Hauptgrund für das Scheitern von Ehen. Bis in das Scheidungsverfahren setzt sich diese Unfähigkeit fort - und das Bedürfnis nach der Aufrechterhaltung eines Scheins der Harmonie selbst in der Endphase einer Beziehung ist ein echtes Paradoxon.

Was nach der Erkenntnis des Scheiterns zählt, ist das Klarwerden über die eigenen Rechte und Positionen. Selbstbehauptung ist jetzt wichtig. Ein Mediator ist laut Definition derjenige, der nur Einfluss auf die Art und Weise der Auseinandersetzung hat. Er schützt aber nicht davor, dass berechtigte Ansprüche aufgegeben werden. Effektive Mediation setzt deshalb notwendigerweise voraus, dass beide Seiten über ihre Ansprüche und Positionen ausreichend informiert sind.

Ein wirklich seriöser Mediator müsste deshalb seinen beiden Gesprächspartnern raten, sich jeweils einen Anwalt zu suchen, bevor er mit seiner Arbeit als Mediator beginnt - ein im Vergleich zum herkömmlichen Scheidungsprozess noch umfangreicheres Verfahren: zwei Anwälte, ein Mediator und das Gericht. Deshalb spielen Mediatoren in der Praxis noch kaum eine Rolle: In weitgehend einvernehmlichen Verfahren ist deren Einsetzung teurer und in den wirklich streitigen Verfahren sind Mediatoren gar nicht erst erwünscht.

Schlechte Mediatoren in Scheidungsverfahren gibt es sowohl unter Anwälten wie unter Richtern.

Der schlechte Mediator in der Richterposition ist derjenige, der immer schon im Voraus zu wissen meint, was für die Parteien das Beste und im Interesse des Kindes ist - er zieht jede schlechte Einigung einem gerechtem Urteil vor. Der in gleichem Maße unfähige Mediator als Anwalt ist der Typ, der in früheren Zeiten immer gern auf die eigentlich zur Trennung entschlossenen Eheleute eingewirkt hatte, sich zu „versöhnen“ und dadurch die entsprechende „Versöhnungsgebühr“ einnehmen konnte.

Diese Beilegung eines Streits mit Hilfe eines Mediators hilft nicht weiter, sie verhilft keinesfalls den Parteien zur Selbständigkeit. Ein schlechter Mediator bewirkt nicht nur das Zurückbleiben eines unguten Gefühls, auch die langfristigen Auswirkungen werden im Interesse einer Beilegung des Streits oft nicht bedacht. Ähnlich ist es nach einem Vergleichsschluss vor Gericht, wenn dem Mandanten hinterher doch noch dieses oder jenes einfällt. Das Gleiche gilt für eine durch die Inanspruchnahme eines Mediators herbeigeführte Einigung.

Ein wesentlicher Schritt zur endgültigen Klärung eines Konflikts und Schaffung klarer Verhältnisse ist die Erkenntnis, dass Streitigkeiten zwar wehtun, aber auch heilsam sind.

Wenn man eingesehen hat, dass nur noch die Trennung hilft, macht der Streit die Trennung oft erst möglich. Missstimmungen in der Ehe können nicht verdeckt werden. Gerade vor Kindern nicht. Besonders diese sensiblen kleinen Menschen spüren es, wenn in der Beziehung etwas nicht mehr stimmt, wenn ein nuancierter Tonfall beim Vater auffällt, wenn die Mutter ein Wort gebraucht, das sie sonst nie benutzt hat. Oft halten Kinder sich selbst für schuldig daran, dass die Beziehung zwischen Vater und Mutter vergiftet ist.

Besser für das Kindeswohl ist nicht ein Verdecken der Streitigkeiten und der Missstimmungen, sondern ein offenes Wort. Die Klarstellung, dass es auch zwischen Mutter und Vater Streitigkeiten geben kann, dass auch diese Beziehung irgendwann einmal eine andere Ausprägung erfahren kann, indem man sich trennt, gehört auch zum Prozess des Erwachsenwerdens.

Ein Kind muss wissen, dass ihm die Eltern bleiben, auch wenn diese sich trennen.

Es mag deshalb absurd klingen, aber es stimmt: Streitigkeiten offen auszutragen ist oft der beste oder vielleicht einzige Weg, um aus einer verfahrenen Situation, die sowohl die Eheleute als auch die Kinder in Mitleidenschaft zieht, herauszukommen.

Wenn man zu dem Schluss kommt, dass man die Forderungen des anderen nicht erfüllen kann, sollte man zu einem Anwalt gehen, das Scheidungsverfahren in Gang setzen und das Gericht entscheiden lassen. Dann herrschen klare Verhältnisse. Dann, aber eben erst dann, sollte man sich versöhnen.



Stand: 24.05.2012


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